Neulich brachte mich der Zufall das erste Mal zu Angelina (226, rue de Rivoli). Mein Morgentermin verspätete sich, und als ich aus der Metro-Station „Tuileries“ in die eisige Kälte trat und zum ersten Mal keine Schlange vor dem berühmtesten Teesalon der Stadt erblickte, sagte ich mir: Jetzt oder nie! Es gibt ja Menschen, die kommen extra aus L.A. oder Tokio nach Paris, um die angeblich beste heiße Schokolade der Welt zu trinken und dafür zwei Stunden auf einen Tisch warten. An diesem Wintermorgen erwärmte die fast schon mythische L’Africain auch mein Herz. Sie ist so unverschämt dickflüssig, so verschwenderisch cremig und duftet so verführerisch, dass man einfach voller Wonne die Augen schließt und die Welt ringsum vergisst. Selbst die grätendünne Coco Chanel soll sich hier bereits dem Schokorausch hingegeben haben.
Es gehört für mich noch immer zu den großen Rätseln vonParis, wie diese vielen süßen Schlemmertempel, die unsere Augen und Sinne unterhochkalorisches Dauerfeuer stellen, eigentlich überleben in einer Stadt, wo dieMenschen so viel ranker und schlanker sind als anderswo und wo die ModedesignerKreationen ersinnen, die jenseits von Size Zero kaum tragbar sind. Funktioniertder Stoffwechsel in Paris anders? Wer kauft eigentlich diese unzähligen,grazilen Petit-Fours und Macarons, diese Eclairs und Truffes, diese teuflischenTörtchen und himmlischen Sahneröllchen bei Ladurée oder Pierre Hermé, bei Fauchonoder Lenôtre? Und warum sieht man so wenig Speckröllchen vor den Schaufensternund an den Verkaufstheken?