Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon auf dem wohl berühmtesten Pariser Friedhof war: Das erste Mal selbst als Touristin, vor vielen, vielen Jahren, um das Grab von Jim Morrison, Edith Piaf und Oscar Wilde zu besuchen. Und nun immer mal wieder, wenn Freunde oder Familie zu Besuch sind – schließlich liegt der Friedhof bei mir quasi um die Ecke. Neulich jedoch traute ich meinen Augen nicht: Zwischen all den verwitterten, prachtvollen Grabstätten, in denen seit dem 19. Jahrhundert viele berühmte Menschen ihre letzte Ruhe finden, ist jetzt die Generation Web 2.0. eingezogen.
Wer aufmerksam durch das schattige Labyrinth aus Alleen und Wegen läuft, stößt hier und da auf QR-Codes, diese kleinen schwarz-weißen Pixel-Muster, die diskret als Plaketten auf den Grabsteinen kleben.
Während wir uns totlachen, laufen wir weiter und denken über die Gründung eines Start-ups nach. Wie könnte man all die Gräber hier kommerziell nutzen? Am Grab von Jim Morrison gleich die Songs downloaden oder an der Grabstätte der Darty-Familie, den Gründern der großen Elektronik- und Haushaltsgerätekette Frankreichs, einen Kühlschrank bestellen? Den vielen Möchtegern-VIPs, die heute durch die TV-Talentshows turnen, einen letzten großen Auftritt bereiten? Für die Instagram-Süchtigen der Gegenwart, denen der Monitor ihres Smartphones die Welt bedeutet, das finale und ewige Selfie arrangieren?
Gibt es schon alles. Ab etwa 200 Euro, so lese ich später, wird einem schon ein einfaches Online-Package fürs Jenseits inklusive QR-Plakette programmiert: Mit Fotos, Videos oder Audio-Dateien. Professionelle Sprecher, die das Leben des Verstorbenen erzählen, kosten natürlich mehr. In den USA, Japan oder Spanien schon ein todsicheres Geschäft – auf dem Père Lachaise muss man die Orte, an denen man per Smartphone mit den Toten kommunizieren kann, jedoch noch mit der Lupe suchen. Schade eigentlich. Die Gräber dort könnten so viel unterhaltsamer sein.